Noch berauscht von der Erhabenheit, der Wärme und der Stille des Big Bend National Parks machen wir uns auf den Weg an die Golfküste. Eine Perle am Wegesrand, in der Nähe von San Antonio, ist Gruene, eine von deutschen Einwanderern aufgebaute kleine Gemeinde, die heute ein Ausflugsziel ist. Alte Gebäude und sehr witzige „alte“ Läden – und vor allem – die älteste Dance-Hall von Texas gibt es hier. Ein sehr einfacher Saal, jeden Tag gibt es Live-Musik. Wir erleben einen Countrysänger, der 4 Stunden, ohne Pause, singt und spielt. Etliche junge und alte Paare tanzen, überhaupt wird hier in USA „gefühlt“ viel mehr getanzt, als bei uns.
Wir umfahren Houston, Texas, kurze Stippvisite zur NASA und fahren an die Golfküste. Einige Tage lang ist es winterlich kühl, dann plötzlich sommerlich warm.
Wir stehen direkt am Strand und schauen auf den Golf von Mexiko. Dieses Meer wird uns jetzt 4 Wochen lang begleiten, bis wir an der Südspitze von Florida auf den Atlantik treffen. Auffallend ist, dass jeder Strand, den wir auf der Reise besuchen, eine andere Konsistenz Sand und andere Muscheln, Algen, Strandbewohner hat: Meist sind die Strände menschenleer, da ja auch hier noch Winter ist, allerdings sind die Temperaturen einem deutschen Nordsee-Sommer nicht unähnlich. Wir sind langsam unterwegs, bleiben mal da 2 Tage, mal dort 4 Tage. Es wird immer aufwändiger, Stellplätze zu finden.
Wir fahren an verranzter Öl-Industrie vorbei, an aufgelassenen, an Land geschleppten Ölplattformen und dem Neubau von riesigen LNG-Terminals. Wofür die wohl gebaut werden?
Nach längerer Diskussion machen wir Halt in New Orleans, hatten wir doch beschlossen, die Städte auszulassen. Aber zum Glück besuchen wir diese Stadt, die wirklich völlig anders ist, als alles, was wir bisher gesehen haben. Sie ist am Samstag voller Touristen und voller Musik. An jeder Straßenecke gibt es guten Sound zu hören. Gut leben zu können scheinen die Musiker leider nicht. Viele sehen sehr abgerissen aus, was aber ihre Musikalität nicht schmälert.
Am Mississippi stehen noch einige wenige Plantagen-Herrenhäuser als Museen, dazwischen jede Menge Öl- und Chemie-Industrie und Zuckerrohrfelder. Wir lesen viel über über das Thema „Sklavenarbeit“.
Die Eichenbäume hier sind beeindruckend und landschaftsbildend.
Sklavenhandel gab es 400 Jahre lang, finanziert und betrieben von den europäischen Herrscherhäusern und mit Hilfe der afrikanischen Eliten, die den Sklavenhändlern die Menschen aus dem westafrikanischen Binnenland zuführten. Sie taten hier das gleiche, was sie auch in ihren anderen Kolonien und zu Hause mit ihren Bauern und Leibeigenen machten. – Ein lukratives Geschäft für (fast) alle Beteiligten.
Ca. 10 bis 12 Millionen Menschen wurden aus Afrika verschleppt. Erst 1865 wurde in USA der Sklavenhandel endgültig abgeschafft, gerade einmal vor 150 Jahren.
Die Plantagenbesitzer kamen – auch durch diese billigen Arbeitskräfte – zu großem Reichtum und im Zuge dessen auch zu großer politischer Macht. Bis vor kurzem stellten die Südstaaten den amerikanischen Präsidenten, die damit – oh Wunder – auch lange auf der Sklavenhaltung bestanden. Gestützt wurde die Ausbeutung der Sklaven durch perfide Rassentheorien. So dass man zwar in der Unabhängigkeitserklärung von 1776 das Recht aller Menschen auf Leben, Freiheit und Streben nach Glück, festschrieb. – Aber das galt nicht für die Sklaven…
Ganz im Gegenteil: Zugeständnisse und Lockerungen in der Behandlung der Sklaven, wurden schnell in noch brutalere Unterdrückung verändert.
Erst 1950 wurden die Afro-Amerikaner, also die Nachfahren der Sklaven aus Westafrika, wirklich gesetzlich gleichgestellt… Die Überlegenheit der weißen, europäischen Rasse war/ist so tief im Bewusstsein verankert „worden“, dass sie heute noch sehr wirkt, nicht nur hier in USA.
Wir hören das Audio-Book „Stay away from Gretchen“. Wir erfahren, dass viele schwarze, amerikanische Soldaten nach ihrer Rückkehr aus Europa/Deutschland durch ihre Erlebnisse dort, die Freiheitsbewegung um Dr. Martin Luther King jr. unterstützten.
Wir sind nachdenklich über diese Zusammenhänge, die wir hier finden. Und sind dankbar für die Menschen, die immer wieder darum kämpfen, dass es allen Menschen auf dieser Welt besser geht.
Wir machen uns weiter auf den Weg Richtung Osten und freuen uns auf das warme Florida.
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